Arbeitsschutz

Zwischen Vertrauen und Verantwortung:

Gesunde Führung als Fundament moderner Sicherheitskultur

5 Minuten05.12.2025

Mentale Gesundheit ist ein entscheidender Faktor für nachhaltigen Arbeitsschutz. Wieso das so ist, wie Führungskräfte sie fördern können – und welche Maßnahmen es dafür gibt. 


Führungskräfte stehen heute vor einer immensen Herausforderung: Sie sollen ihren Mitarbeitenden in Zeiten zunehmender Unsicherheit und Beschleunigung Anleitung und Orientierung geben. Globaler Wettbewerb, Fachkräftemangel und betriebliche Transformationsprozesse durch Digitalisierung und den Einsatz von KI erfordern Resilienz sowie die Bereitschaft, Bewährtes zu hinterfragen und neue Wege zu beschreiten.

Spannungsfelder und Umbrüche können jedoch Stress verursachen und Menschen unter Druck bringen. Mentale Gesundheit erlangt dann besondere Bedeutung – auch als Führungsthema. Wer Verantwortung trägt, muss mehr tun, als Ziele zu setzen und Prozesse zu steuern. Führungskräfte müssen verstehen, welche Rolle gesunde Führung im Unternehmen spielt – und wie sie selbst als Vorbild für Stabilität, Vertrauen und auch bessere Sicherheit sorgen können. 

Dr. Stefanie Schöler, Psychologin und Geschäftsführerin von Arbeitsschutz Universum, bringt es auf den Punkt: Gesunde Führung schafft die Bedingungen, „in denen Menschen angstfrei denken, handeln und wachsen können“. Sie fordert einen Kulturwandel in der Führung, auch im Sinne des Arbeitsschutzes. Denn ein gesunder Führungsstil macht den Unterschied zwischen Überforderung und Engagement, zwischen Angst und Eigenverantwortung. 

Dass Führung der Schlüssel für eine nachhaltige Sicherheitskultur ist, erklärt auch Prof. Dr. Andrew Sharman, Geschäftsführer des International Institute of Leadership & Safety Culture und Autor von „Safety Leadership“. Er betont: „Die Art und Weise, wie man sich um seine Mitarbeitenden kümmert, ist der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg.“

Was ist gesunde Führung?

Natürlich ist jede Führungskraft und jedes Unternehmen unterschiedlich und es gibt nicht den einen, perfekten Führungsstil. Unabhängig von individuellen Voraussetzungen ist es sinnvoll, auf die grundlegende Zielsetzung zu blicken: Gesunde Führung soll Offenheit und Vertrauen schaffen.

Stefanie Schöler spricht in diesem Zusammenhang von „psychologischer Sicherheit“: Mit diesem Begriff beschreibt sie Arbeitsumgebungen, in der Mitarbeitende angstfrei arbeiten, offen kommunizieren und auch zwischenmenschliche Risiken eingehen können – etwa, indem sie Missstände ansprechen oder ihren Vorgesetzten offen Feedback geben.

„Fast die Hälfte der Mitarbeitenden meldet keine Fehler, weil sie Angst hat“, sagt Schöler. Es gebe Befürchtungen vor unangenehmen Konsequenzen, vor Ablehnung oder sogar vor beruflichen Nachteilen. Für manche sei es ein Tabu, den Maßnahmen Vorgesetzter zu widersprechen. Manche zögerten auch, weil sie aufgrund ihrer Identität oder Herkunft Diskriminierung fürchteten.

Für eine starke Sicherheitskultur ist es allerdings entscheidend, dass Mitarbeitende ihre Bedenken vollständig und zeitnah äußern können. Ansonsten gehen Beobachtungen und Informationen verloren, die Vorfälle verhindern können.

Wie wirkt gesunde Führung?

Gesunde Führung bindet die Belegschaft aktiv ein und schafft ein Klima, in dem Themen wie Sicherheit, mentales Befinden oder kritische Situationen offen und unbefangen angesprochen werden können.

Ein dialogorientierter, wertschätzender Führungsstil steigert das Verantwortungsgefühl aller Menschen im Unternehmen: Wer sich um die tatsächlichen Belange sowie die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden kümmert und ihnen echte Mitwirkung zutraut, erhält mehr Beteiligung und wertvollere Rückmeldungen.

Der Sicherheitsberater Stephan Freundl von FREST Consulting spricht von einer „gerechten Sicherheitskultur“, die Verantwortung statt Verurteilung etabliert und Fehler als Chance zum Lernen und zur Verbesserung versteht. Er empfiehlt offene Gesprächsformate, bei denen alle Mitarbeitenden zu Wort kommen.

Welche Ansätze und Maßnahmen gelten?

Psychologische Sicherheit lässt sich z. B. unter Einhaltung der folgenden Prinzipien erreichen:

  • Zusammenhalt stärken. „Ein Unternehmen darf kein Haifischbecken sein“, bringt es Stefanie Schöler auf den Punkt. „Zähne zusammenbeißen und durch” kann nicht als Motto für den Arbeitsalltag gelten. Führungskräfte sollten Räume schaffen, in denen Mitarbeitende auch unangenehme Themen ansprechen können und gegenseitiges Verständnis wächst. – Die Publikationen der Sozialwissenschaftlerin Amy Edmondson, Novartis Professor of Leadership and Management an der Harvard Business School, bieten weiterführende Impulse; Lesetipp: „Die angstfreie Organisation“. 
  • Unsicherheit managen. Führungskräfte können nicht alle Krisen in der Welt beseitigen. Stattdessen ist es wichtig, dass sie die Auswirkungen von Krisen und Herausforderungen auf ihre Mitarbeitenden einordnen und auf Augenhöhe managen. Dafür bietet sich z. B. an, dass Führungskräfte mit ihrem Team oder in Einzelgesprächen aktuelle Entwicklungen thematisieren und auch nicht verschweigen, inwieweit sie selbst und andere Menschen im Team davon beeinflusst werden.
  • Belastungen erkennen und verringern. Arbeitsbedingungen gehören wiederkehrend auf den Prüfstand. Das Feld psychischer Belastungsfaktoren ist breit und kann Arbeitsumgebung, Arbeitsmittel, organisatorische Abläufe, aber auch Soziales umfassen. Entsprechende Gefährdungsbeurteilungen sind vorgeschrieben und der erste Schritt, um Verbesserungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Ein standardisiertes Vorgehen und geeignete Tools helfen dabei.
  • Wertschätzend kommunizieren. Erfolg entsteht dort, wo Menschen gehört werden und sich einbringen. Offene, respektvolle Kommunikation und regelmäßige Austauschformate stärken das Miteinander und die Identifikation mit dem Unternehmen. Das heißt nicht, Reibungspunkte im Team auszublenden, sondern diese nach Notwendigkeit konstruktiv, authentisch und fair zu verhandeln. Gleiches gilt für den Umgang mit Fehlern.
  • Vorbild sein. Glaubwürdige Führung beginnt mit dem eigenen Verhalten. Wenn Führungskräfte Sicherheitsvorkehrungen ernst nehmen, Arbeitszeitregelungen beachten, klare Absprachen treffen und einhalten, zeigen sie, dass Gesundheit und Sicherheit Priorität haben. 

Zwischen Vertrauen und Verantwortung

Erfolgreiche Organisationen brauchen Führungskräfte, die Teams befähigen, motivieren und Vertrauen zeigen, statt Druck aufzubauen. Eine Sicherheitskultur erstarkt, wenn sie Mitarbeitende einbezieht und ihnen ein Mitspracherecht einräumt. Dabei spielt der Führungsstil eine entscheidende Rolle, weil er diese Werte vorlebt und befördert.

Gleichzeitig bedeutet starke Führung aber auch, Verantwortung zu übernehmen: Für die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden, für gemeinsame Sicherheitsmaßnahmen und im Sinne der Vorbildfunktion auch für die eigene Gesundheit. Führungskräfte können damit Eigenverantwortung und das Gemeinschaftsgefühl fördern – zugleich Ängste und zwischenmenschliche Spannungen abbauen.

Diese Lektionen gelten auch für HSE-Fachkräfte, die vielleicht selbst gar nicht führen: Sie können das Thema „gesunde Führung“ auf die Agenda anderer Führungskräfte bringen und den Stellenwert innerhalb der gesamten Sicherheits- und Unternehmenskultur betonen. 


Die cloudbasierten Softwarelösungen von Quentic stärken die Arbeitssicherheit und fördern eine moderne Sicherheitskultur: Binden Sie Führungskräfte und Fachkräfte rollengerecht ein. Führen Sie Gefährdungsbeurteilungen und Sicherheitsschulungen online durch. Stellen Sie der Belegschaft mobile Kanäle bereit, die für ein schnelles Feedback an die Verantwortlichen sorgen. 

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