Arbeitsschutz, Krisenmanagement

COVID-19 aus der Perspektive eines Sicherheitsexperten

Eine persönliche Reise voller Optimismus

15 Minuten09.04.2020

Von Timo Kronlöf

Corona, Angst und Social Distancing haben uns voneinander entfernt. Sie schränken unser privates und berufliches Leben drastisch ein. Richtig? Ich möchte Ihnen eine andere Perspektive aufzeigen. Folgen Sie mir, meiner Familie und meinem Unternehmen auf eine Reise und erfahren Sie, wie Positivität auch in schwierigsten Zeiten überlebt. Lassen Sie sich auf ungewöhnliche Einblicke in Health & Safety Theorie und neue Anwendungsfälle ein.

Wenn ich aus dem Fenster schaue, begrüßt mich ein weißes Feld. Die nächsten Nachbarn sind Hunderte von Metern entfernt. Alles ist ruhig und friedlich. Man könnte meinen, der lang ersehnte Winter sei endlich nach Finnland gekommen und ich wäre im Skiurlaub. Aber das bin ich nicht. In Wirklichkeit haben wir längst Frühling und ich befinde mich in meinem abgelegenen Home-Office wegen des Corona Shutdowns.

Noch Anfang März arbeitete ich fast wie gewohnt für Quentic in Helsinki. Etwas mehr als eine Woche zuvor war zu meiner großen Enttäuschung der traditionelle Finlandia-Skimarathon abgesagt worden. Nicht wegen Corona, sondern wegen des Schneemangels. Jetzt, Anfang April, wo sogar die Olympischen Spiele und die Fußballeuropameisterschaften verschoben werden mussten, klingt es verrückt, dass ein Massenskilauf mit Tausenden von Menschen erst kürzlich abgesagt wurde, ohne dass auch nur ein dramatisches Wort zur Pandemie gefallen ist. 

Am 11. März konnte ich einen persönlichen Termin mit meiner Bank noch ganz normal wahrnehmen, obwohl ich mich erinnere, dass sich das Gespräch bereits stark um den Corona-Virus drehte. Was die Arbeit betrifft, so hatte ich mich bereits völlig auf Home-Office umgestellt. Der 12. März war der letzte Tag, an dem unsere Kinder in den Kindergarten gingen. Von da an ging alles sehr schnell.

Gut gewappnet in die Krise

Wir zogen in ein praktisch völlig isoliertes Haus auf dem Land, etwas mehr als eine Stunde von der Stadt entfernt. Zufälligerweise hatten wir hier letzten Herbst unsere alte Garage renoviert und zu einem voll funktionsfähigen Büro umgebaut, komplett mit elektrischem Schreibtisch, Bildschirmen und Bürostühlen. Was für ein unglaublich gutes Timing! Der ehemalige Bauernhof, den meine Schwiegereltern gelegentlich nutzen, ist seit Beginn der Pandemie unser Stützpunkt. Der einzige physische Kontakt, den wir mit der Außenwelt haben, entsteht, wenn wir zweimal pro Woche Lebensmittel einkaufen gehen.

  • ©unsplash.com/Fabian_Mardi

Meine Kollegen und ich waren Anfang März noch zu 100 Prozent im Arbeitsmodus, ohne nennenswerte Einschränkungen des täglichen Betriebs. Wir veröffentlichten sogar am 12. März unser wichtigstes Whitepaper des Jahres, den Safety Management Trend Report 2020, obwohl der Nachrichtenfluss sich damals schon sehr stark auf die Krise fokussierte. Es hat mich gefreut zu sehen, wie gut der Bericht trotzdem aufgenommen wurde, und ich denke, es ist uns gelungen, den Blick der HSE-Experten vorübergehend von der stressigen Situation abzuwenden.

Glücklicherweise ist Home-Office in Finnland weit verbreitet und alle erforderlichen Tools sind im Allgemeinen ohne besondere Vorkehrungen einsatzbereit. VPN-Verbindungen, Confluence, Office 365 Services, Teams und natürlich Quentics eigenes SaaS-Produkt funktionierten von Anfang an reibungslos. Wir haben seit dem Ausbruch der Pandemie sogar einen Anstieg der Nutzung unserer mobilen App um 15 Prozent verzeichnet. Durch viele glückliche Umstände waren wir, ganz ohne es zu wissen, bereits sehr gut auf diese besondere Arbeitssituation vorbereitet. Es war großartig zu sehen, wie sich meine Kollegen in über 15 Ländern, insbesondere die Kollegen in unseren kürzlich eröffneten Büros in den beiden stark betroffenen Ländern Italien und Spanien, schnell daran gewöhnt haben, von zu Hause aus zu arbeiten. Wir haben außerdem das Glück, an unserem Hauptsitz in Berlin hervorragende IT-Kollegen zu haben, die allen helfen konnten, mit dem sicheren Remote-Zugriff und allen auftretenden IT-Herausforderungen fertig zu werden.

  • © unsplash.com/Juliane_Liebermann

In den letzten Wochen ist meine Wertschätzung für frühkindliche Bildung noch weiter gestiegen. In der Tat bilden Kindergärten, Schulen, Nahrungsmittelproduktion und -vertrieb, Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und kritische staatliche Akteure das Rückgrat jeder entwickelten Gesellschaft als Ganzes. Und auch wenn meine Arbeit im Augenblick nicht entscheidend für das Überleben der Menschen ist, bin ich sehr stolz darauf, wie wir unseren Teil dazu beitragen, dass Strom- und Stromnetzbetreiber, Lebensmittelunternehmen und andere systemrelevante Akteure effizienter arbeiten und dabei Gesundheit und Sicherheit im Blick behalten. Ich sehe, wie die Pandemie die HSE-Experten in unseren Netzwerken auf einer neuen Ebene herausfordert. Noch nie zuvor standen Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz so sehr im Mittelpunkt und ich freue mich, dass wir unseren Beitrag zur wertvollen Arbeit von HSE-Managern und -Spezialisten leisten können.

Maslows Bedürfnispyramide in Zeiten von COVID-19

Nach Mitte März, als klar wurde, dass sich die Lage nicht schnell erholen würde, zwang ich mich, aktiv darüber nachzudenken, ob nicht aus all dem etwas Gutes entstehen könnte. Es war anfangs schwer, überhaupt Vorteile zu erkennen, aber ich merkte bald, dass zum Beispiel die Kommunikation mit Kollegen und Kunden begann, reibungsloser zu funktionieren.

Tools wie Slack und Teams haben ihre Stärken gezeigt, und es ist uns schließlich gelungen, das interne E-Mail Hin und Her zwischen verschiedenen Ländern zu reduzieren. Das ist eine wunderbare Entwicklung und auch eine großartige Möglichkeit für unsere gesamte HSE-Branche, die Kommunikation zu verbessern. Wir könnten HSE aus dem Sumpf der E-Mail-Postfächer herausholen und in die richtigen Kanäle bringen. Wir lernen bereits, wie wir eine direkte Interaktion zwischen verschiedenen Parteien ermöglichen und wie wir die Schwelle zur Teilnahme an Diskussionen über Arbeitssicherheit effektiv senken. Die Digitalisierung schreitet jetzt viel effizienter voran, und wir haben alle über folgendes Wortspiel gelacht:

"Wer in Ihrem Unternehmen treibt die Digitalisierung voran?

A. CEO
B. CIO
C. COVID-19 "

Zunächst schien die kollektive Stressreaktion jedoch besonders Innovationen zu lähmen. Nach Maslows Bedürfnishierarchie, die wir als HSE-Experten nur allzu gut kennen, ist dies ein ganz natürliches Phänomen.

Der erste Instinkt ist immer die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse, wie die Beschaffung von ausreichend Nahrung und natürlich Toilettenpapier, und erst dann kommen in der Hierarchie die Belange der Sicherheit und des Wohlbefindens ins Spiel. Dies zeigte sich anfänglich durch den massenhaften Ansturm auf Geschäfte in der ganzen Welt, als sich Menschen drängten, um Vorräte zu kaufen und sich dabei erhöhter Ansteckungsgefahr aussetzten. In der Anfangsphase spürte ich in vielen Gesprächen, die ich sowohl intern als auch mit Kunden und Interessenvertretern führte, eine Zunahme des allgemeinen Stressniveaus aus individueller Sicht. Einige wenige Gespräche unter besonders starker Stressbelastung eskalierten in überraschend negative Szenarien - wenn etwas nicht ganz in Ordnung war, schien es plötzlich komplett falsch zu sein.

Maslows Bedürnispyramide

Positive Auswirkungen auf die Gesellschaft

Gegen Ende März begann die Krise, endlich kollektive positive Züge zu zeigen. Die Menschen begannen zu begreifen, dass die Welt nicht untergeht. Und dass wir überleben - gemeinsam. Ich freue mich zu sehen, wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität wächst, wenn Initiativen entstehen, die ältere Menschen und lokale Unternehmer sowie die finanziell Schwächsten auf verschiedene Weise unterstützen.

Nachdem wir die ersten Auswirkungen der Pandemie überstanden hatten und harte physische und soziale Grenzen zwischen uns gezogen wurden, gerade da begann eine spürbare Fürsorge für "andere" unsere Herzen zu erobern.

Dies ist ein großes Zeichen und eine beispiellose Gelegenheit, die Menschen der ganzen Welt zusammenzubringen. Am Ende sitzen wir alle in demselben großen Boot, das Erde heißt, und wir müssen gemeinsam gegen Corona ankämpfen.

Es besteht Hoffnung, dass uns all dies am Ende die Augen öffnen wird für die Stärke einer größeren Gemeinschaft im Kampf gegen andere globale Herausforderungen wie den Klimawandel.

Es besteht Hoffnung, dass wir Potenzial und Kraft von Zusammenarbeit auch inmitten von Schwierigkeiten verstehen werden.

Es besteht Hoffnung, dass wir uns daran erinnern werden, wie wir diese Krise nicht delegiert, sondern gemeinsam überwunden haben und nicht das Überleben des Stärkeren, sondern das Gemeinwohl gesiegt hat.

Die Kraft einer Sicherheitskultur

Wir HSE-Experten kennen die Kraft der Sicherheitskultur in Unternehmen bereits gut: Wenn jeder daran beteiligt ist, Gefahren zu erkennen, Maßnahmen zu kontrollieren, nach gemeinsamen Richtlinien zu handeln, Verantwortung auf individueller Ebene zu übernehmen und unabhängig von Sanktionen seinen Teil dazu beizutragen, haben wir bessere Chancen Unfälle und Gesundheitsschäden am Arbeitsplatz zu reduzieren. Hier besteht eine wichtige Analogie zu COVID-19. Wenn wir in Zeiten von Corona eine gesellschaftliche Sicherheitskultur umsetzen, können wir das Risiko von Infektionen und einer zu schnellen Ausbreitung des Virus effektiv minimieren.

Seit Mitte April, hat man das Gefühl, dass das Leben teilweise wieder ins Rollen kommt. Bei Quentic haben wir unsere Innovationsmaschinerie wieder zum Laufen gebracht und unsere Software für die Unterstützung während der Pandemie angepasst. Zum Beispiel konnten wir inspiriert durch eine interne Arbeitsschutz- und Sicherheitsinspektion eine Gefahrenevaluierung für Home-Office entwickeln und aus diesem Evaluatiosmodell heraus eine mobile Checkliste für unsere Quentic App erstellen.  

Wir beschlossen, die Gefahrenevaluierung für Home-Office allen unseren Kunden kostenlos zur Verfügung zu stellen. Unser Ziel ist es, einer psychosozialen Überlastung entgegenzuwirken und unsere Kunden dabei zu unterstützen, die Herausforderungen des Home-Office im gesamten Unternehmen besser zu verstehen. Sie können die Aktivierung des Audits in Ihrem Kundenkonto über Ihren regulären Ansprechpartner oder schriftlich bei unserem Kundensupport (support@quentic.com) beantragen.

Über unsere bestehenden Kunden hinaus, wollten wir auch anderen helfen und beschlossen daher, Städten, Gemeinden und öffentlichen Verwaltungen für die Dauer der COVID-19-Pandemie eine kostenlose Version unserer Software anzubieten.

Meine Familie und ich sind hier auf dem Land sicher, sozial distanziert, und unsere Angstkurve nimmt ab. Ich hoffe aufrichtig, dass es Ihnen, lieber Leser, gut geht. Denken Sie daran, zu Hause zu bleiben, sich um andere zu kümmern und auf sich selbst aufzupassen.

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